Bereits zum dritten Mal luden die Mannen des „Craft Bier Fest Wien“ vergangenes Wochenende zum Bierverkosten und Fachsimpeln ein. Nach dem windigen Freiluftspiel am Donaukanal im Frühjahr 2014 und der großen Halle der Ankerbrotfabrik im Herbst 2014 wählten die Veranstalter um Micky Klemsch diesmal das kuschligere Metropol als Veranstaltungsort. Doch nicht nur die Location war eine andere, auch die Veranstaltung selbst fand in einem neuen Gewand statt. Statt freiem Eintritt und freier Zeiteinteilung waren die zwei Veranstaltungstage diesmal in vier Sessions unterteilt, die zum Preis von je 10 Euro besucht werden konnten. Pro Session hatte man 3,5 Stunden Zeit die Biere zu verkosten, dazwischen wurde das Metropol jeweils geleert.
Klangen 3,5 Stunden für so eine Verkostungsrunde noch lang und ausreichend, so wurde einem zumindets nach der Veranstaltung doch der Zeitdruck bewusst. Noch einmal verkürzt um eine halbe Stunde durch überlanges Anstehen am Eingang (da hätte man doch mehr Leute bei der Ticketkontrolle und einen zweiten Stand zum Festivalglas verteilen benötigt) blieben letztlich nur drei Stunden zum Verkosten. Zeit um dazwischen Inne zu halten, das Gespräch mit den Brauern zu suchen oder etwas zu Essen hat der verkostungswütige Bierliebhaber da nur in sehr eingeschränkter Weise. Da hätte man sich retrospektiv doch ein zwei Stunden mehr gewünscht.
Nichtsdestotrotz waren die Tasting Sessions ein Erlebnis der Sonderklasse. Die Zahl der Spezial-, Experimental- und Sondersude war außergewöhnlich und die Brauereien konnten sich im stilvollen Rahmen des Metropol präsentieren. Den internationale Trends nach fassgereiften und sauren Bieren wurde auch von österreichischer Seite Rechnung getragen, daneben gab es vor allem viele Pale Ales, IPA’s, Stouts zu kosten. Warum sich die wenigsten Brauer an einem guten Pils oder anderem klassischen Bierstil versuchten, blieb wie schon öfters eine offene Frage.
Mein Highlight des Abends war auf jeden Fall das Bierol Imperial Oatmeal Stout mit satten 9 Prozent und schönen Noten von Schokolade, dunklen Früchten (Zwetschgen), Kaffee, Kakao und Beeren. Gewohnt souverän präsentierten sich auch die Biere des internationalen Shootingstars Bevog. Bei der „Who Cares Edition“ wurde von der Brauerei ein American Pale Ale mit vier verschiedenen Hopfensorten, großteils experimentelle Züchtungen aus Slowenien, eingebraut. Im Ergebnis waren die Biere überwiegend auf der grassigen, kräuterartigen Hopfenlinie, nur das Arctus ragte mit tropischer Fruchtigkeit hervor. Spannend war auch was die mittelständischen „Culturbrauer“ zu bieten hatten. Vom angenehm hopfigen Schremser Vienna IP über das angenehm fruchtige Mandarin Weizen der Brauerei Mohren waren da einige spannende Neuigkeiten vertreten. Zu den besten Bieren meiner Verkostung gehörte da auch das in Single Malt Eichenfässern gereifte Zwettler Momentum mit tollen Schokoladen-, Fass- und Fruchtnoten. Ebenfalls gewohnt gekonnt präsentierten sich die neuen Biere von Brew Age (Affenkönig, ein DIPA mit Mangonoten) oder das Brauwerk Nr. 4 Flanders Red, eine Mischung aus Sauerbier mit einem Double. Das Loncium Russian Imperial Stout Barrique bestach zwar im Geschmack, hatte aber im Geruch noch deutliches Ausbaupotential. Insgesamt war das Niveau der verkosteten Biere außergewöhnlich hoch. Ausreißer nach unten blieben selten. Zu ihnen gehörten das Xaver X Common (Essigstich), das Hirter Beerique (gemüsig) und Steamworks Signature Pale Ale (unangenehme Rosennote).
Bliebe abschließend nur mehr ein Wort zur Preisgestaltung zu sagen. Während der Eintritt mit 10 Euro völlig ok war, lagen die Bierpreise gefühlt im Bereich des Doppelten der bisherigen Bierfestivals. So gab es die wenigsten Bier um 1 Jeton (=1 Euro), der Durchschnitt lag schon bei 2 Jetons pro Bier. Manche Brauerei verlangten für Spezialitäten aber auch schon Mal 3 oder gar 4 Jetons für eine 0,1 Liter Probe, was dann schon schnell ins Geld gehen kann. Da lohnte es sich dann, die feilgebotenen Biere in einer kleinen Gruppe von insgesamt drei Personen zu verkosten, was auch aus der sonst schwer zu bewältigenden Menge kein Nachteil war.
Trotz alledem, die Tasting Sessions waren eine tolle Veranstaltung mit super Stimmung und einer beeindruckenden Leistungsschau der (österreichischen) Craftbrewer. Die nächsten Fixpunkte des Craft Bier Festes in Linz (Anfang Juni) sowie im Herbst in Wien sollte man nicht versäumen.
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